Leider gibt es immer noch Menschen, die bei Nervenkrankheiten nur an psychische Probleme denken und gar nicht wissen, wie komplex die Neurologie ist. Ein Facharzt für Neurologie befasst sich mit der Diagnostik und Therapie von Krankheiten, die das Nervensystem, die Muskulatur, das Rückenmark und das Gehirn betreffen. Die Diagnostik ist sehr zeitaufwendig und erfordert daher beim Patienten ein gewisses Maß an Geduld und auch die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit, denn ein Teil des Diagnoseverfahrens ist das ausführliche Gespräch zur Anamnese.
Es gibt einige Krankheiten, die durch Schädigung der Nerven verursacht oder zumindest beeinflusst werden. So kann zum Beispiel Schwindel nicht nur von Kreislaufproblemen oder Störungen im Innenohr kommen, sondern auch durch ein neurologisches Problem. Auch bei der Behandlung der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose ist die Hilfe eines Neurologen gefragt, genau wie bei Migräne.
Um mehr über die Behandlungsmöglichkeiten von Migräne zu erfahren, haben wir mit Dr. med. Rainer Grass gesprochen. Der 1963 in Wien geborene Facharzt für Neurologie hat sich schon in seiner Jugend für Medizin interessiert, besonders die Fachbereiche Neurologie und Psychiatrie. Für ihn war früh klar, dass er Menschen helfen wollte und so studierte er dann auch Medizin und schloss die Facharztausbildung Neurologie und Psychiatrie an.
Heute betreibt er eine Neurologische & Psychiatrische Wahlarztordination in Wien und hat sich besonders auf die Behandlung von Patienten mit Multiple Sklerose spezialisiert. Weitere Schwerpunkte in seiner Praxis sind Kopfschmerz-Migräne, Restless-leg Syndrom, Depressive Zustandsbilder/Burn-out Syndrom, sowie die Abklärung und Behandlung von Gedächtnisstörungen. Zudem ist er zertifizierter Anwender für die Botulinumtoxintherapie
Medizin und hierbei speziell Neurologie und Psychiatrie haben mich schon in der Mittelschule interessiert. Am meisten zufriedenstellend finde ich in meinem Beruf die Möglichkeit, dass ich Menschen in schwierigen (gesundheitlichen) Situationen durch Stellung einer Diagnose oder erfolgreiches Therapiekonzept helfen kann ihre Lebensqualität zu verbessern. Am wenigsten Spaß machen „bürokratische“ Angelegenheiten/Notwendigkeiten eines Ordinationsbetriebes.
Bei Migräne handelt es sich um wiederkehrende, starke, meist einseitige Kopfschmerzattacken. Verschiedene Formen werden klassifiziert: Migräne mit und ohne Aura. Die Aura ist ein häufiges, fokales neurologisches Symptom der Migräne, das der zumeist folgenden Kopfschmerzphase vorangeht. Sie tritt in etwa 20 bis 30 % der Migräneanfälle auf.
Weitere Formen sind die chronische Migräne ( Kopfschmerz an 15 oder mehr Tagen/davon mindestens an 8 Tagen typische Migränekopfschmerzen), Migraine sans migraine, Vestibuläre Migräne, Hemiplegische Migräne (sehr selten, oft genetisch bedingt), Basiläre Migräne, Migräne der Augen (nur spezifische meist einseitige „Sehstörung“ ohne Kopfschmerz), menstruelle Migräne. Symptome: typischerweise attackenartige, meist einseitige pulsierende heftige Kopfschmerzen, Wahrnehmungsstörungen als Vorboten (Aura), Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Dauer der Attacke 4-72 Stunden.
Ursachen: eine genetische Veranlagung wird angenommen, der genaue Mechanismus ist bislang nicht geklärt, Möglicherweise spielt ein gestörter Botenstoffwechsel (Calzitonin gen relatet peptid: “ CGRP“) eine wichtige Rolle. Viele Menschen mit Migräne beobachten, dass auf bestimmte Dinge oder Situationen häufig eine Migräne-Attacke folgt. Zu solchen Migräne-Auslösern („Triggern“) können z.B. gehören: Stress, Wetterwechsel, bestimmte Nahrungsmittel, verminderte Flüssigkeitsaufnahme oder Auslassen von Mahlzeiten, Alkohol, fehlender Schlaf und hormonelle Veränderungen.
Diagnose: Im Gespräch mit dem Facharzt kann eine Migräne in der Regel aufgrund der Krankheitsanzeichen eindeutig zugeordnet werden. Das charakteristische Merkmal ist der einseitig auf eine Kopfhälfte beschränkte pochende, pulsierende oder stechende Schmerz in Verbindung mit Übelkeit, Erbrechen, Licht– bzw. Lärmempfindlichkeit. Die Schmerzphase hält mindestens 4 Stunden lang an. Die Dauer der Migräneattacke ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von anderen Kopfschmerzformen und sollte deshalb dem Arzt genau angegeben werden. Ein Kopfschmerz-Tagebuch hilft bei der Diagnose von Migräne bzw. Beurteilung, ob eine Prophylaxetherapie sinnvoll ist
Hilfreich für Diagnose und Therapie ist es, über eine längere Zeitdauer ein Kopfschmerz-Tagebuch bzw. einen -Kalender zu führen. Betroffene sollten Zeitpunkt, Art, Stärke, Dauer, Begleiterscheinungen, mögliche Auslöser und eventuelle Medikation der Kopfschmerzen genauestens dokumentieren. Dann können sie dem Facharzt ein detailliertes Bild ihrer Beschwerden geben. Weitere Untersuchungen sind nur notwendig, wenn der Verdacht besteht, dass die Kopfschmerzen nicht von einer Migräne herrühren. Besteht ein begründeter Verdacht, werden weitergehende Untersuchungen eingeleitet – zum Beispiel eine Schichtaufnahme des Gehirns und des Schädels (Kernspintomografie).
Ich biete „klassische“ medikamentöse Migräneprophylaxe (üblicherweise Tabletten, drei unterschiedlich zugelassene Substanzen stehen zur Verfügung) sowie Botox-Therapie (nur bei chronischer Migräne indiziert bzw. zugelassen) und neu auch Therapie mit Erenumab (monoklonaler Antikörper) an. Die Dauer der Behandlung ist individuell festzulegen. In der Regel erfolgt eine Therapie über mehrere Monate. Indikation für eine Prophylaxetherapie besteht bei mindestens 2-4 Attacken pro Monat. Eine medikamentöse Migräneprophylaxe hat zum Ziel, die Häufigkeit, Intensität und Dauer von Migräneattacken zu reduzieren. In der Folge soll auch erreicht werden, die Einnahme von Akutpräparaten auf ein Mindestmaß zu senken, um die Gefahr eines durch Medikamente ausgelösten Kopfschmerzes (Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch) zu reduzieren. Eine prophylaktische Therapie soll regelmäßig (also auch an beschwerdefreien Tagen) über mehrere Monate hindurch eingenommen werden, damit das Ansprechen auf die Therapie zuverlässig beurteilt werden kann.
Die Praxis befindet sich im Ärztezentrum Med6, Ordination ist Dienstag von 14-20:00 und Donnerstag 9-14:00/ Anmeldung entweder online über meine homepage (www.neurologe-grass.at) oder telefonisch unter 01/5812422
Chronische oder immer wieder auftretende Schmerzen reduzieren erheblich die Lebensqualität. Daher sollte man sich niemals einfach damit abfinden. Wenn der Hausarzt nicht ausreichende Hilfe bieten kann, sollte man immer zusätzlich einen Facharzt aufsuchen. Bei Kopfschmerzen, die evtl. auch eine Migräne sein können, ist dieser Facharzt ein Neurologe. Er geht den Ursachen auf den Grund und empfiehlt eine passende Behandlung oder führt sie selbst durch. Vielen Dank an Dr. med. Rainer Grass für seine Zeit und die ausführlichen Informationen.