Ein Todesfall ist immer belastend für Angehörige. Wie soll dabei an den Trauernden herangetreten werden? Was sind seine Bedürfnisse und Wünsche, damit er sich von einer geliebten Person angemessen verabschieden kann? – Im christlich geprägten Europa gibt es bis heute feste Abläufe und Rituale für Bestattungen. Doch gerade in einer säkularisierten Zeit haben sich auch weltliche Rituale herausgebildet; daneben ist die psychologische Betreuung und längerfristige Begleitung immer wichtiger geworden.
Bereits am Namen des Unternehmens „Bestattung und mehr” kann man dies etwa feststellen: Dr. Christine Pernlochner-Kügler, operative Leitung und Geschäftsführung, und Dr. Markus Ploner, handelsrechtliche Geschäftsführung, leiten das nämliche Innsbrucker Bestattungsunternehmen seit 2011/12 und haben den früheren Betrieb eine neue Richtung verliehen. Wichtig war ihnen hierbei, abseits der herkömmlichen Angebote auch eine umfangreiche Trauerbegleitung vorweisen zu können. Neben den zahlreichen Helfern für Friedhofsarbeiten und Bereitschaftsdienste in der Nacht und am Wochenende setzt sich das Team von „Bestattung und mehr” aus sieben MitarbeiterInnen für den Innen- und Außendienst zusammen.
Christine Pernlochner-Kügler hat ein Philosophie- und Psychologiestudium in Innsbruck absolviert (Dissertation: „Körperscham und Ekel – wesentliche Gefühle”) und ist neben Fortbildungen in der modernen Verstorbenenversorgung eine geprüfte Bestatterin. Markus Poner hat Erziehungswissenschaften studiert, beschäftigte sich in seiner Dissertation mit der „Realität des Todes” und ist zudem ebenfalls geprüfter Bestatter und Thanatopraktiker.
Die Menschen reagieren interessiert, manchmal fasziniert und stellen viele Fragen.
Größte Herausforderung sind nicht die Verstorbenen, es sind:
– Die Angehörigen, die in einem Ausnahmezustand sind, in dem individuelle Charaktereigenschaften, aber auch psychische Auffälligkeiten oder Familienkonflikte verstärkt zum Vorschein kommen.
– Zudem sind weitere Herausforderungen organisatorisch: Sehr viele Details sind in sehr kurzer Zeit zu planen, zu organisieren und durchzuführen (Terminkoordinationen, Behördengänge, Verstorbenenversorgung, Abschiednahme, Trauerdrucksorten (die heutzutage sehr individuell gestaltet werden), Trauerfeierlichkeiten, etc.
– Personalknappheit – es stirbt entweder niemand – oder eben viele gleichzeitig, Trauerfeiern finden dann oft parallel statt, weil wir auf die Terminwünsche von Angehörigen, die Verfügbarkeit von Priestern und die Kapazitäten von Friedhöfen eingehen müssen.
– Tag-/Nacht-/Wochenendbereitschaften
Thanatologie ist die „Lehre/Wissenschaft vom Tod“ und eine Disziplin vieler Wissenschaften. Die Philosophie, die Kulturgeschichte, die Ethnologie, die Psychologie, die Medizin haben jeweils Disziplinen, die sich aus ihrer Perspektive mit der Thanatologie, der „Lehre“ oder „Wissenschaft vom Tod“ befassen.
Im Bestattungsbereich umfasst die Thanatologie:
– Die Thanatopraxie, das ist die praktische Tätigkeit am Leichnam, auch „moderne Verstorbenenversorgung“ genannt.
– Die kompetente fachliche Begleitung der Angehörigen beim Abschied vom Verstorbenen.
– Trauerpsychologisches und psychotraumatologisches Knowhow, das einer kompetenten Begleitung von Angehörigen zugrunde liegt.
Tätigkeit des geprüften Bestatters mit Fortbildungen in moderner Verstorbenenversorgung:
– Hygienische Grundversorgung: Desinfektion, Waschen, Lösen der Totenstarre, richtiges Lagern, Tamponieren, Augen- und Mundschluss, Kosmetik
Tätigkeiten des geprüften Thanatopraktikers:
– Über die hygienische Grundversorgung hinaus: Restauration bei Entstellung und Modern Embalming (Einbalsamierung = Konservierung des Leichnams für mehrere Wochen).
– Trauerpsychologisches und psychotraumatologisches Knowhow, um Angehörige kompetent zu begleiten.
– Grundlagen der Krisenintervention und Notfallpsychologie
– Wir stützen uns vor allem auf das Modell der Traumaverarbeitung von Mardi J. Horowitz, das BASIS-Modell der Krisenintervention sowie die gängigen Phasen- und Aufgaben-Modelle der Trauerpsychologie und der Traumapsychologie.
– Für die Begleitung von Angehörigen beim Abschiednehmen am offenen Sarg haben wir basierend auf dem Modell der Traumaverarbeitung von Horowitz das „Zwei-Raum-Konzept“ entwickelt, nachdem unsere Abschiede behutsam begleitet durchgeführt werden.
– Drei Teammitglieder (Christine Pernlochner-Kügler, Markus Valtingojer und Markus Ploner) haben einen psychologischen Hintergrund: Wir achten darauf, dass Angehörige nicht nur organisatorisch, sondern auch psychologisch gut durch die ersten Tage und Wochen begleitet werden.
– Weiterführendes Begleitungsangebot: Trauerbegleiterin mit Traumaausbildung, Patrizia Pichler bietet weitere Unterstützung an.
– Bei uns gibt es auch den „Seelensport“, ein Konzept und Trainingsprogramm, das von Katrin Biber für Trauernde entwickelt wurde und in unseren Räumlichkeiten angeboten wird.
Klamottchen sind Stofftiere aus der Kleidung vom Verstorbenen genäht, die man bei uns bestellen kann. So genannte „Übergangsobjekte“, das sind persönliche Gegenstände vom Verstorbenen und spielen gerade in der ersten Zeit bei der Verarbeitung eine wichtige Rolle. Man muss ganz langsam mit der Lücke leben lernen, die ein Mensch hinterlässt, wenn er verstorben ist, diese Lücke tut weh. Ein Übergangsobjekt stellt eine Verbindung zum Verstorbenen her und kann ein wenig Trost geben.
Damit der Trauerprozess in die Gänge kommt, muss zuallererst realisiert werden, dass ein Mensch verstorben ist. Schock oder „die Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens“ sind psychische Schutzmechanismen, die unmittelbar nach einem Sterbefall das Realisieren so verzögern: Der Tod ist meist ein traumatisches Ereignis und muss langsam „step by step“ realisiert werden, um die Psyche nicht zu überlasten. Für das Realisieren ist der Abschied aber wichtig: Auch wenn es weh tut, wir müssen aus dem Schock und dem Nicht-Wahrhaben-Wollen heraus, damit die Trauergefühle aufbrechen können. Trauer ist ja ein heilsamer Prozess. Betroffene empfinden das Aufbrechen der Emotionen, das oft erst durch das Realisieren bei Abschied am offenen Sarg möglich ist, als Erleichterung.
Wichtig ist auch:
– Die Gewissheit: „Ja, er/sie ist es wirklich, es ist keine Verwechslung!“
– Noch einmal Zeit mit dem Verstorbenen haben, um ihm Dinge zu sagen, die man noch sagen will.
– Dem Verstorbenen etwas mitgeben auf seinem letzten Weg.
Rituale gibt es in allen Kulturen und wir Menschen brauchen sie auch. Es sind bewusst gesetzte, symbolische Handlungen, die für sich stehen können oder das gesprochene Wort unterstreichen können. Symbolische Handlungen bieten hilfreiche Bilder, die im Ritual erfahren werden, sodass wir die Veränderung, die ein Sterbefall mit sich bringt, viel deutlicher erfahren können als nur durch Worte.
Eine weitere Grundfunktion von Ritualen, ganz besonders von Trauerritualen, besteht in der kontrollierten Kanalisation von intensiven Emotionen, denn Rituale unterstützen das Aufbrechen und den Ausdruck von Emotionen, tragen innere Bilder nach außen und machen den Schmerz dadurch erträglicher.
Trauerrituale sind Übergangsrituale, ihr Muster ist universell, d.h. sie beinhalten immer drei Aspekte oder Themen:
Diese drei Aspekte sind universell, regionale und weltanschauliche Unterschiede machen dann die Unterschiede in der inhaltlichen Ausprägung der Rituale, vor allem, was den dritten Punkt betrifft:
– Christliche Rituale haben als „positive Anbindung an das Neue“ die Wiederauferstehung im Fokus. Im katholischen Ritus wird der Verstorbene „eingesegnet“: Weihrauch, Weihwasser und Gebete reinigen den Körper von Schuld, um ihn auf das neue Leben vorzubereiten.
– Im Buddhismus wird der Zwischenzustand (Bardo) zwischen dem Tod und der Wiedergeburt durch Gebete, Opfergaben und Rituale begleitet.
– Für Menschen, die nicht an eine Weiterexistenz der Seele glauben, liegt die positive Anbindung an das Neue oft in der Rückkehr zur Mutter Natur.
„Universell“ sind die Symbole, die in Ritualen verwendet werden. Rituale sollen ja „einfache“, also leicht verständliche Handlungen sein. Denn sie sollen unsere Themen auf den Punkt bringen und leicht erfahrbar machen. Daher ähneln sich die Symbole, die verwendet werden, oft weltweit, obwohl die Inhalte sich unterscheiden:
– Feuer/Kerzen – stehen für Licht, Erleuchtung, Hoffnung
– Rauch – als Ausdruck von Botschaft oder der Verbindung von Diesseits und Jenseits
– Wasser – Tränen und Reinigung
– Opfergaben: Brot, Nahrungsmittel, Blumen etc.
Den Trauernden nicht nur bei den Vorkehrungen für das Begräbnis oder anderen rituellen Abläufen zu unterstützen, sondern auch Angehörige beim Ablösungsprozess fachlich und konstruktiv zu begegnen, ist ein Hauptanliegen von „Bestattung und mehr”. Symbolische Handlungen als Übergangsrituale sind hierbei besonders wertvoll. Denn so kann man Gefühle kanalisieren und zum Ausdruck bringen. In den 2018 renovierten Räumlichkeiten werden Erwachsene und besonders Kinder daher dazu eingeladen, in einer geschützten Atmosphäre Trauer frei zuzulassen und rituell Abschied zunehmen.