Körper und Geist – das macht bekanntlich unsere Gesundheit aus. Wenn ein Teil davon leidet, ist daher unser gesamtes Wohlbefinden davon betroffen. Noch immer vernachlässigt und tabuisiert ist die psychische Komponente, die sich durch verschiedene Art und Weise körperlich bemerkbar macht. So sind gerade Essstörungen in unserer Gesellschaft verbreitet, die darauf hindeuten, dass etwas mit unserem Seelenleben und Körpergefühl nicht stimmt.
Romana Wiesinger wurde in Wien geboren, wohnt heute in Niederösterreich an der Grenze zu Wien, ist glücklich verheiratet und Mutter zweier mittlerweile erwachsener Töchter. Die 53-Jährige ist selbstständig als Unternehmerin tätig, besitzt seit etwa 15 Jahren eine Praxis in Perchtoldsdorf und ist in Wien in einer tollen Ordi mit Blick auf den Stephansdom eingemietet.
Ursprünglich habe sie bis zur Geburt ihrer ersten Tochter 7 Jahre lang als Volksschullehrerin gearbeitet, erzählt uns Romana im Interview, nebenbei habe sie immer studiert, zunächst Psychologie, dann Pädagogik fertiggemacht. Es folgte eine Coaching-Ausbildung und schließlich habe sie den Weg zur Psychotherapie gefunden – ihr absoluter Traumberuf! Und das nächste Projekt ist schon gestartet: Im November 2019 hat Romana mit einer tollen Ärztin ein psychosomatisches Zentrum in Perchtoldsdorf gegründet.
Zu der Thematik der Essstörungen bin ich über mein Praktikum zur Psychotherapeutin gekommen. Psychosomatische Erkrankungen haben mich immer schon interessiert, die Arbeit mit Jugendlichen ist spannend, auch wenn Erwachsene an Essstörungen leiden können. – Ich arbeite demnach gerne sowohl mit jungen als auch erwachsenen Menschen zusammen. Außerdem habe ich mit meinem Körper, Essen und Essverhalten noch nie ein Problem gehabt, eine Tatsache, die mir ungemein hilft. Über die Jahre habe ich natürlich auch einiges an Erfahrung gesammelt und bin trotzdem immer noch sehr interessiert an den Geschichten der Menschen, die für jede Art der Essstörungen wichtig sind. – Da es eben psychosomatische Erkrankungen sind, wozu ein wesentlicher Teil der Psyche gehört und sie auch nur so geheilt werden können. Letztes Jahr habe ich auch ein Buch dazu veröffentlicht: Kochbuch für die Seele. Wie die Psyche unser Essverhalten beeinflusst.
In unserer Gesellschaft machen sicherlich Menschen mit Übergewicht den größten Anteil aus, aber auch die Magersucht nimmt meiner Meinung nach zu. – Das sind auch jene Erkrankungen, die man mit dem freien Auge sehen kann. Bei der Bulimie ist das anders, da Menschen mit Bulimie meist ein ganz normales Gewicht haben – außer es ist in Kombination mit der Magersucht (Bulimarexie). In meinem Buch habe ich noch eine vierte Gruppe beschrieben, die „Unzufriedenen“, also Menschen, für die das Essen, also die Gedanken rund ums Essen, einen riesigen Anteil in ihrer Gedankenwelt einnehmen. Bei dieser Gruppe wird viel geplant, leider weniger auf das Körpergefühl geachtet.
Werkzeuge brauche ich keine. Als personzentrierte Psychotherapeutin brauche ich nur den Menschen und viel Empathie, um mit ihm hinspüren zu können, was im Leben nicht „schmeckt“. Hier meine ich keine Nahrungsmittel, sondern Gefühle, die hinuntergeschluckt und wieder erbrochen werden – wie Wut, Leere, Langeweile, Trauer, Stress, Einsamkeit … Umso mehr Positives die Betroffenen in ihr Leben integrieren können, desto weniger Platz wird die Bulimie bekommen.
Meist liegt vor der Bulimie eine große Unzufriedenheit mit dem Körper. – Menschen haben das Gefühl, nicht dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen. Hier liegt der erste Knackpunkt: Das Schönheitsideal wurde in den letzten 50 Jahren immer mehr zum Schlankheitsideal. Diese Bilder machen es besonders jungen Menschen so schwer, sich in seinem eigenen Körper wohl zu fühlen. Dann beginnt ein meist einmaliges Übergeben, das dann aber immer öfter bzw. regelmäßiger wird. Sobald eine Betroffene oder ein Betroffener jede Woche erbricht, würde ich mir Gedanken machen und möglichst ehrlich damit umgehen. Das Problem der Bulimie ist die Heimlichkeit. Das heißt, sie lebt meist schon Monate, wenn nicht Jahre mit den Betroffenen, ohne dass irgendjemand im Umfeld davon weiß. Niederschwellig kann man sich an die Hotline für Essstörungen wenden, oder aber man sucht sich eine Beratungsstelle in der Nähe. Am besten wäre selbstverständlich gleich den Schritt in die Psychotherapie zu machen.
Essstörungen belasten nicht nur unsere körperliche Gesundheit, sondern lassen sich auch von einer tief verwurzelten verzerrten Selbstwahrnehmung herführen. Romana rät daher, möglichst offen damit umzugehen und sich Hilfe zu besorgen. So kann man sich einen langen Leidensweg ersparen, sich professionell therapieren lassen und schließlich das Leben wieder genießen – in vollen Zügen, gesundheitsbewusst und fernab von gesellschaftlichen Schönheitsidealen.